Wie organisiert man die Umsetzung der Balanced Scorecard im Unternehmen
(Ausschnitt aus dem Taschenguide Balanced Scorecard)
Wie organisieren wir die Einführung und Ausbreitung einer Balanced Scorecard im Unternehmen? Welche Aufgaben kann dabei eine spezifische Software für Balanced Scorecards übernehmen? Es gibt nicht „den“ richtigen Weg – so wie es auch keine „richtige“ Balanced Scorecard gibt. Es gibt nur einen passenden Weg zu einer auf die Bedürfnisse unseres Unternehmens abgestimmte Balanced Scorecard. Aber natürlich gibt es einige Erfahrungswerte, die man berücksichtigen sollte, wenn man in seinem Unternehmen die Balanced Scorecard einführen will.
Voraussetzung für die gemeinsame Erarbeitung einer BSC ist die Bereitschaft zu offener, vorbehaltlosen Kommunikation miteinander. Wir müssen lernen, unsere Mitarbeiter als Partner zu sehen, die es uns ermöglichen, Sie auf dem gemeinsamen Weg mit zu nehmen. Es mag heute in manchen Branchen und Unternehmen vielleicht noch möglich sein, Mitarbeiter anzuweisen, Arbeiten vorzuschreiben etc. Aber immer mehr benötigt unsere Gesellschaft, benötigen unsere Unternehmen Mitarbeiter, die mit-denken, mit-tun und mit-verantworten. Und dazu gehören selbständiges Handeln und Entscheiden, Offenheit und Ehrlichkeit. In Unternehmen, die bislang eher hierarchisch geführt worden sind, benötigt man für diesen Prozess eine längere Zeit, muss auch Vorleistungen erbringen, damit sich Vertrauen aufbauen kann. Bei uns, dem Gutleb Verein versuchen wir bereits seit Jahren, mit Vertrauen und Offenheit unseren Mitarbeitern gegenüber zu operieren. Und immer mehr bekommen wir zurück, was wir gegeben haben: selbständiges und verantwortliches Handeln!
Ist es eigentlich schwierig, Workshops zur Strategie-Erarbeitung und -Umsetzung zu organisieren? Nein, aber lassen Sie mich die wichtigsten Punkte aufzählen, die nötig sind, um ein Unternehmen BSC-fit zu machen:
(Auszug audem Taschenguide Balanced Scorecard)
1. Wie beginnen, immer von „Oben nach Unten“?
Eigentlich gilt die Devise „von oben nach unten“, aber trotzdem haben wir überlegt, ob wir nicht erst einmal testweise in einem Unternehmensbereich anfangen sollten. Auch dieser Weg ist gangbar, sofern der Vorgesetzte (ich bleibe weiterhin bei der männlichen Form, obwohl ich mich schon als weiblich bezeichnen würde!) an dem Bereichs-Workshop teilnimmt, dessen Ergebnisse mitträgt oder zumindest duldet. Des weiteren wäre es gut, wenn eine strategische Zielausrichtung des Gesamtunternehmens vorhanden ist. Damit man später nicht noch einmal von vorn anfangen muss!
Wir glaubten, dies zu haben – zumindest vor unserem Workshop. Unsere Moderatoren berichteten von Teilbereichen anderer Unternehmen, die als „Seiteneinsteiger“ mit der Einführung ihrer Balanced Scorecard recht gute Erfolge erreicht hatten – und eigentlich mehr Freiheiten zur Umsetzung strategischer Ziele besaßen, als sie glaubten. Wir haben in unserem BSC-Workshop unsere Führungs-Scorecard wie die Berichts-Scorecard, mit der wir an die regionalen Beziehungsträger sowie an unsere Banken berichten, für den gesamten Verein, also für unser Unternehmen erarbeitet. Später geben wir die Ergebnisse an die untergeordneten Bereiche weiter, damit diese sich ihre eigene Scorecard erarbeiten können.
2. Wer sollte an einem BSC-Workshop teilnehmen?
Natürlich alle Führungskräfte des Unternehmens, des Bereiches, für den eine Balanced Scorecard erarbeitet werden soll. Und „alle“ heißt wirklich alle. Es darf sich keiner ausklinken. Und hinterher den Prozess torpedieren! Bei Gutleb gab es für alle Führungskräfte Anwesenheitspflicht – und das war gut so. Glücklicherweise haben wir nicht 24 Direktoren wie so manches Unternehmen, denn wegen der Gruppendynamik ist ein derartiger Workshop nicht mit mehr als 15 Personen durchzuführen. Um auch neue Ideen und Gedanken aufzunehmen, haben wir zusätzlich drei jüngere Mitarbeiter hinzu gebeten, von denen wir annehmen, dass sie in einigen Jahren zu unserer Führungscrew gehören werden – Querdenker also. Eigentlich wollte ich unsere Betriebsrätin gar nicht dabei haben – sie erscheint mir zu bedächtig. Jedoch bestanden unsre beiden Moderatoren darauf. Und sieh da, sie hat hervorragend mitgemacht und es fiel hinter her leichter, alle Mitarbeiter von den Zielen zu überzeugen.
Tipp:
Der Betriebsrat muss immer mit zu einer BSC-Runde gehören. Die hier angedachten strategischen Ziele haben meistens mitbestimmungspflichtige Auswirkungen. Und dann haben Sie den Betriebsrat mit im Boot, denn es sind ja auch seine Ideen, die jetzt umgesetzt werden sollen!
3. Wann und wo?
Die beste Zeit für einen BSC-Workshop ist im Frühling bzw. frühen Sommer. Nicht nur, weil wir in diesen Monaten den Elan aufkeimender Natur in uns spüren. Sondern vor allem, weil sich die Balanced Scorecard dann am besten in das kaufmännische Jahr eintakten lässt: April, Mai oder Juni für die Erarbeitung der Ziele und strategischen Projekte, dann sieben Wochen für das Projektdesign und schließlich nach den Sommerferien die Beschlussfassung im Entscheidungsworkshop.
So können die beschlossenen Aufwendungen für die strategischen Projekte in das Budget für das Folgejahr mit aufgenommen werden. Aber auch, wenn zu einer anderen Zeit der BSC-Prozess angestoßen wird: Das Budget sollte immer so flexibel gehandhabt werden, dass auch dann Projekte angegangen werden können, wenn diese – weil beispielsweise erst im Februar beschlossen – nicht, noch nicht im Budget des laufenden Jahres stehen!
Der Ort für einen BSC-Workshop ist eigentlich egal, nur sollte man sich davor hüten, es im Unternehmen durchzuführen. Unterbrechungen für ein Telefonat, eine Unterschrift etc. sind äußerst ungünstig für einen gruppendynamischen Prozess. Also ein Hotel in der Nähe, auch eine Hütte kann geeignet sein – wichtig ist nur ausreichend Platz für Gruppenarbeiten und eine anregende Atmosphäre, die auch Raum für die Kommunikation am Abend bietet.
4. Wer macht die Moderation?
Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande – dies trifft auch auf uns zu. Wir haben im Gutleb Verein einige hervorragende Mitarbeiter, die sicherlich auch einen derartigen Workshop gut moderieren können. Aber sie sind nicht neutral, haben eigene Ideen, Ansichten etc.. Und – was das Entscheidende ist – sie haben eigene Interessen, d.h. sie sind immer Partei im BSC-Prozess. Ob sie wollen oder nicht. Wenn wir betroffen sind, können wir nicht neben den Dingen stehen. Deshalb sollte man mit externen Moderatoren zusammenarbeiten.
Dies gilt zumindest für die oberste Unternehmensebene. Im weiteren Verlauf der BSC-Einführung in unseren Einrichtungen haben wir zwei interne BSC-Moderatoren ausgebildet, die den Prozess weiter begleiten und moderieren – nur nicht im eigenen Bereich!
5. Unser strategisches Berichtswesen
Monatlich sitzt unsere Führungsmannschaft zusammen, um die Ergebnisse der abgelaufenen Periode zu diskutieren, um daraus Entscheidungen für das operative Tun abzuleiten. Das führt zu hoher Flexibilität und ist sicher eine Ursache unseres wirtschaftlichen Erfolges. Dazu gehört auch, dass das Budget für uns kein Gesetz ist, das unbedingt einzuhalten ist. Unser Budget gibt Spielräume und lässt den Verantwortlichen unser Einrichtungen die Freiheit, auf neue Situationen flexibel zu reagieren – sie sind ja auch ergebnisverantwortlich, nicht nur „budgetverantwortlich“.
Wir haben uns entschlossen, in diesen monatlichen Runden auch die Umsetzung unserer strategischen Projekte zu verfolgen. Die Kosten der Projekte liefern uns die Zahlen des etablierten Rechnungswesen (da helfen auch uns Software-Lösungen eines nahen großen Software-Unternehmens). Die strategischen Erlöse messen wir über die Kennzahlen unserer Balanced Scorecard. Auf diese Weise haben wir einen kontinuierlichen Lernprozess eingeleitet: Zum einen überprüfen wir, dass wir entsprechend unseren Vereinbarungen etwas für die Zukunft unseres Unternehmens tun. Zum anderen fragen wir uns auch immer, ob unser strategisches Koordinatensystem noch „stimmt“. Ob wir uns tatsächlich in die Richtung bewegen, die wir uns vorgestellt haben.
6. weitere Umsetzung im Unternehmen
Während des Entscheidungs-Workshops hatten wir beschlossen, die Managementmethode Balanced Scorecard auch in der Verwaltung, in einer Jugendbetreuungseinrichtung sowie in einem Seniorenwohnheim einzuführen – als Test sozusagen. Aber nicht wir Führungskräfte wollten die strategischen Projekte vorgeben, sondern die leitenden Mitarbeiter dieser Bereiche sollten ihre Scorecard erarbeiten. Das Leitziel hat der jeweilige Vorgesetzte (der ja an unserem Workshop beteiligt war) erläutert. Schon die strategischen Zielsetzungen wie die Perspektiven der Einrichtungen wichen voneinander ab, unterstützten aber unser Leitziel. Teilnehmer an diesen Bereichs-Workshops waren je neun leitende / engagierte Mitarbeiter des Bereiches, der Bereichs-Vorgesetzte sowie auch hier ein externer „Freund des Hauses“.
An diesen Workshops haben die Leiter der bereichsübergreifenden strategischen Projekte auch teilgenommen (natürlich nur der Projekte, die in diesem Bereich involviert waren!). Einerseits, um gute Ideen aus dem Teilnehmerkreis für diese übergreifenden Projekte aufzunehmen. Andererseits, um Überschneidungen mit Projekten der Teilbereiche zu vermeiden. So vermieden wir den Mangel vieler Matrix-Organisationen: fehlende Kommunikation und Abstimmung untereinander.
Übrigens dauerten diese Bereichs-Workshops lediglich zwei Tage, die Strategiediskussionen waren lange nicht so zeitraubend wie bei uns in der Unternehmensleitung– und die strategischen Projekte waren tendenziell kurzfristiger angelegt, weniger aufwändig.
7. Den Prozess am Laufen halten
Strategieentwicklung und –umsetzung ist oberste Führungsaufgabe. Und man muss dran bleiben! Diese Erfahrung hat eigentlich jeder schon gemacht. Immer wieder knirscht es im Betrieb. Und dann sind Feuerwehr-Aktionen angesagt. Um die Sache wieder ins Lot zu bringen. Oder Schlimmeres zu verhüten. Das Problem: Wenn der operative Betrieb nicht läuft, kann man sich um den strategischen nicht kümmern. Daher bleiben wichtige strategische Aufgaben immer wieder liegen.
Die Strategieumsetzung muss bei der Geschäftsführung angesiedelt sein! Mein Assistent wurde als BSC-Beauftragter verantwortlich dafür, dass wir uns selbst ernst nehmen. Er hat die Aufgabe, uns immer wieder zu nerven, bis es uns in Fleisch und Blut übergeht:
Wir müssen immer etwas für unsere Zukunft tun!
Kennzahlen der Balanced Scorecard als Maßgröße für Prämien?
Der Gutleb Verein pflegt eine enge Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat. In diesem Rahmen haben wir Möglichkeiten gefunden, die Übernahme von Verantwortung auch mit Prämien zu stimulieren. Ich kenne die Diskussion, bin mir über Vor- und Nachteile von Prämien sehr wohl bewusst. Man sollte hierbei jedoch zwei Empfängergruppen unterscheiden:
* Mitarbeiter, deren Verdienst zum Leben gerade ausreicht
* Führungskräfte, für die Spaß an der Arbeit wichtig ist
Bill Gates hat einmal gesagt, dass es schwierig sei, Millionäre (30% der Microsoft-Mitarbeiter sollen Millionäre sein) mit Prämien zu innovativer Arbeit zu verlocken. Ich habe die gleiche Erfahrung gemacht. Für viele meiner Führungskräfte gilt, dass sie woanders wohl mehr Geld verdienen können. Wenn wir sie halten wollen, müssen wir damit wuchern, dass bei uns Entscheidungsstrukturen schnell sind, dass wir flache Hierarchien haben, dass wir allen Führungskräften die Übernahme von Verantwortung bieten. Und was ist motivierender als die Möglichkeit, zu gestalten? Natürlich werden Führungskräfte bei uns auch am Ergebnis beteiligt, aber dies hat m.E. keinen allzu großen Effekt auf die Motivation. Dennoch wir haben uns vorgenommen, nach einem Jahr Erfahrung mit der Balanced Scorecard auch die strategische Zielerreichung in die Prämienberechnung einzubeziehen (zu 50%, den die Sicherstellung unserer Zukunft ist unsere wichtigste Führungsaufgabe!)
Wir haben auch Hunderte von Mitarbeitern, die Tag für Tag ihr Bestes geben müssen – um ihr täglich Brot zu verdienen, aber auch, um unser Unternehmen voran zu bringen. Uns Führungskräften fällt es leicht, von Motivation und Einsatzbereitschaft zu sprechen, weil unsere finanziellen Grundbedürfnisse normalerweise gedeckt sind. Die weniger verdienenden Mitarbeiter müssen eher auf das Geld schauen. Aber dennoch müssen wir versuchen, auch ihr Engagement für Gutleb zu wecken. Denn sie sind diejenigen, die den unmittelbaren Kontakt zu unseren Kunden haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch die Mitarbeiter wie Erzieher oder Altenpfleger oder Putzfrauen gern Verantwortung übernehmen. Verantwortung für den jeweiligen Teilbereich ihres Wirkens, Selbständigkeit im Rahmen ihrer Tätigkeit.
Beispiel:
So hat sich in unserer Alteneinrichtung, die bereits mit der Balanced Scorecard arbeitet, ein Projektteam an die Arbeit gemacht, Selbständigkeit zu unterstützen: Auch die Putzfrauen dieser Einrichtung haben eigen Verantwortungsbereiche erhalten. Und jeweils ein Budget für Putzmittel, das sie selbständig verwalten und nur einmal im Quartal abrechnen. Es funktioniert, natürlich knirscht es manchmal, aber in unserer Organisation wächst das Verständnis füreinander, denn jeder versteht sich mehr und mehr als Unternehmer seines Teilbereiches.
Fordern und Fördern, das gilt auch intern!
Software-Unterstützung
Wir haben lange gezögert: Sollen wir den Prozess der BSC-Erarbeitung im Unternehmen auch mit einer Softwarelösung begleiten? Angebote für derartige Programme hatten wir schnell und mit ausführlicher Dokumentation bekommen. Die Kosten für die Softwarelösungen und deren Einführung waren jedoch nicht ganz ohne! Nachdem wir die ersten Gespräche zur Einführung der Managementmethode Balanced Scorecard geführt hatten, war uns auch durch Unterstützung von Klaus Marwitz klar, es geht nicht vordergründig um Kennzahlen. Also ist es anfangs auch nicht wichtig, mit einer Softwarelösung zu beginnen. Ein Tabellenkalkulationsprogramm wie MS-Excel würde uns zur Darstellung von Kennzahlen sicher ausreichen!
Software für den BSC-Prozess
Es gibt viele BSC-Software-Lösungen – aber auch wir nutzen immer noch einfache EXCEL-Blätter!
Kennzahlen kosten Geld!
Seitdem wir mit der Balanced Scorecard „leben“, haben wir uns daran gewöhnt, die Ergebnisse unseres strategischen Tuns zu messen – und daraus Konsequenzen abzuleiten. Dafür müssen die strategischen Kosten ebenso wie die strategischen Erträge (Zufluss von Potenzial, von Fähigkeiten für die Zukunft) erfassen. Jeder Leiter eines strategischen Projekts erhält monatlich einen Ausdruck mit den Kosten, differenziert nach den Projektschritten (das waren teilweise unsere ZAK-Karten). Diese Kosten, aber auch Zeitaufwendungen und Investitionen werden über unsere kaufmännische Standardsoftware gesammelt und aufbereitet. Über eine Schnittstelle werden diese Buchungen monatlich an MyBSC2 übertragen. So weit, so gut.